Kürzlich haben Sasch und ich telefoniert und uns über alte Zeiten unterhalten, da kam mir dieser lustige und äusserst surreale Abend wieder in den Sinn.
Eines Abends im Frühling 2015 sitzen wir wie so oft bei ihm zu Hause und überlegen uns was wir anstellen können. Was wird uns geboten an einem Samstagabend der allmählich zur Nacht reift. Wir können das Standardprogramm entlang der "Steinen", sehen und gesehen werden - nicht mehr ertragen. Kurz recherchiert stosse ich auf eine Anzeige des Tinguely Museums Basel mit der Überschrift "Pheromone Party", passend zur aktuellen Ausstellung "Belle Haleine" - der Duft der Kunst, als Auftakt zur Ausstellungsreihe, bei welchem die fünf menschlichen Sinne und ihre Darstellung in der Kunst beleuchtet werden. Ein wichtiges Thema der Ausstellung ist das ambivalente Verhältnis zum menschlichen Körper und seinen natürlichen Gerüchen, das wir durch Desodorierung versuchen zu beeinflussen.
Ein Anlass der etwas anderen Art. Natürlich folgen wir dieser Schlagzeile erwartungsvoll. Wir schwingen uns auf unsere Fahrräder und radeln vom nahegelegenen Birsköpfli über die Schwarzwaldbrücke. Am Himmel braut sich ein Gewitter über uns zusammen. Donner und auffrischender Wind lassen das herannahende Regenband erahnen. Wir haben Glück und erreichen das Museum gerade noch rechtzeitig um nicht vom Starkregen eiskalt erwischt zu werden. Das Gebäude liegt direkt am wunderschönen Rheinufer und grenzt an den gross angelegten und gepflegten Solitude Park.
Rasch erreichen wir den Haupteingang, deponieren unsere Jacken an der Garderobe und werden zu einer grossen Ausstellungshalle geführt.
Gerüche ziehen an – oder schrecken ab. Manchmal können sie aber auch Menschen zusammenbringen. Diesbezüglich findet die erste Pheromon Party der Schweiz statt. Dies am Valentinstag, die Massen schleichen in das Museum am Rhein, es schmeckt wie im Zoo, man könnte meinen das interessierte Volk hätte bewusst Tage lang nicht geduscht oder sich im Vorfeld der Veranstaltung im warmen Tierdung gewälzt um ihrem animalischen Geruch gerecht zu werden.
Bei Pheromon-Partys geht es darum, nur anhand vom Geruch den geeigneten Partner zu finden, die Besucher bringen ein ungewaschenes T-shirt mit, indem sie vorher drei Nächte geschlafen haben. In luftdichten Plastiksäckchen verpackt erhält jedes T-shirt eine Nummer die nur der Besitzer kennt. Wenn jemand einen Geruch besonders mag, kann er sich mit dem entsprechenden T-Shirt ablichten lassen. Die Polaroid-Fotos werden dann aufgehängt. Mit einem Blick auf die Fotowand erkennt der Besucher, wer sich mit seinem T-Shirt hat ablichten lassen und kann Kontakt mit der Person aufnehmen. Verantwortlich für die Geruchsreaktion ist der Botenstoff Pheromon.
Wir bewegen uns zwischen Neugier und Ekel. Jeder Gast erhält einen Plastikbeutel, verschliessbar mit einem Zipper wo er ein gebrauchtes Kleidungsstück verschwinden lassen kann. Diese Beutel werden dann willkürlich im Raum des Museums verteilt und die zahlreichen Gäste können sich dann gegenseitig beschnuppern. Und glaubt mir diese Körperdüfte bewegen sich zwischen gut duftend bis hin zu übelstem Schweissgeruch. Parfüm ist Tabu - wäre ja langweilig. Aber wir Menschen definieren uns halt über Gerüche und ihre damit verbundene Anziehungskraft. Dies seit Entstehung der Menschheit. Quasi ein Teil der Evolution. Auch im Tierreich finden sich Paare über den Geruchssinn. Beim Menschen ist dies aufgrund fehlender Rezeptoren nicht ausschliesslich möglich. Anhand des Geruchs kann auch der Mensch die genetisch beste Wahl für den Nachwuchs ermitteln, dies läuft natürlich alles unterbewusst ab. Und man sagt nicht umsonst ich kann diesen Menschen riechen oder eben nicht. Unglaublich spannendes Thema.
Wir bewegen uns also von Zipperbeutel zu Zipperbeutel unwissend ob Frau oder Mann wird jeder Beutel vorsichtig mit Abstand geöffnet und der Inhalt Naserümpfend beschnuppert. Fast schon pervers. Aber als unerahnte Samstagabend Unterhaltung sicherlich eine komplett neue Erfahrung und unschlagbar speziell.
Wir amüsieren uns köstlich. Vielleicht liegt es auch am einen oder anderen Bier welches wir schon intus haben während wir von den Sofa Lounges in der Mitte des Raumes das bunte Treiben der anderen Gäste beobachten und den Beats der Basler DJs synonym blau und Peel lauschen. Wie wohl unsere eigenen Gerüche das alternative Partyvolk beeindrucken. Wir beobachten aus der Ferne wie unsere Beutel vorsichtig zur Nase geführt werden und sind durchaus positiv überrascht oder eher beruhigt wie die Reaktionen der Schnuppernden sind. Ok, man hat auch kürzlich geduscht was dem unbekannten Riecher zu Gute kommt und dieser sich nicht bewusstlos auf dem Boden wiederfindet.
Hippie Körperkult mit gekreuseltem Haar unter den Achseln war gestern. Aber tatsächlich schmecken einige Shirts der Anwesenden nach intensivem Training resp. verschwitzter Körperbehaarung. Man verzieht kurz das Gesicht, macht Runzeln auf der Stirn, zieht die Mundwinkel herunter und untermalt mit einem akkustischen "Mmmmmh". Dann doch lieber am Kleidungsstück der Spielverderberin mit verzaubernd duftendem Parfüm schnuppern. Obwohl Sie das Spiel nicht verstanden hat.
Wer wohl hinter all diesen Gerüchen steckt. Wir werden es nie erfahren. Aber dieser erneut legendäre Abend mit meinem Buddy war längstens eine Reise wert und wird uns noch lange in Erinnerung resp. der Nase bleiben.
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