Es ist Montag und ich habe seit zwei Tagen leichte aber ungewöhnliche Magenschmerzen. Ich denke mir nichts dabei aber vereinbare trotzdem einen Termin bei meinem Hausarzt. Kaum den Gedanken gefasst, lassen die Beschwerden nach und ich bin kurz davor die vereinbarte Sprechstunde wieder abzusagen. Aufgrund der kurzfristigen Terminierung belasse ich ihn trotzdem und mache mich guter Dinge auf den Weg in die Gemeinschaftspraxis im St. Johann.
Meine Ärztin hat leider keine Zeit aber ihre ebenfalls kompetente Kollegin übernimmt und ich werde entsprechend untersucht. Während ich im Vorzimmer auf meine Blutwerte warte, sind meine Gedanken bereits beim heutigen Abend, beim gemeinsamen Abendessen mit meiner kleinen Familie, und voller Vorfreude auf einen leckeren Schmaus, zubereitet von meiner Liebsten.
Kurz darauf werde ich zurück ins Behandlungszimmer gebeten worauf mir die Ärztin mitteilt, dass meine Entzündungswerte erhöht wären. Ein weiterer Kollege wird hinzugezogen und kurz darauf liege ich auf der mit papierausgelegten Pritsche und Vaseline wird grosszügig auf meinen Unterbauch geschmiert als wäre es ein "Zmorgeschnittli". Während der Allgemeinpraktiker herzhaft mit seinem Ultraschallgerät meinen Abdomen überprüft liege ich ausgeliefert auf der Liege, als mir die beiden über mich rüber beugenden Mediziner erläutern, dass es sich um einen entzündeten Blinddarm handelt! Aufgrund der nur leichten Schmerzen bin ich doch etwas überrascht und leicht angespannt als mir die Ärztin im gleichen Atemzug mitteilt, dass ich jetzt nach Hause kann um mir ein paar Sachen einzupacken, um mich umgehend ins Claraspital zu begeben.
Ich hatte mir den Montagabend doch etwas anders vorgestellt als ich in einem Krankenbett auf der Notfallaufnahme im Spital liege und diverse Tests über mich ergehen lasse. Da sich "der kleine Mistkerl" auf dem Ultraschall immer wieder zu verstecken weiss soll Stunden später das CT schlussendlich Klarheit schaffen. Es wird mir warm ums Herz, nicht bei dem Gedanken der heutigen Nacht sondern wegen dem Kontrastmittel welches ich soeben intravenös gespritzt bekommen habe und das Gerät meinem Bauchraum scannt. Zurück im Zimmer dann die entscheidende Frage, wann haben sie zuletzt etwas gegessen? Es graut mir bereits, weil ich den Hintergrund dieser Frage sofort erahne. Ohne eingeplante Henkersmahlzeit, stocknüchtern erklärt mir der behandelnde Arzt eindeutig seinen Befund und macht mich darauf aufmerksam, dass ich heute Nacht noch operiert werde. Üblich aber trotzdem nicht so prickelnd werde ich darüber informiert, dass dies zwar ein Standardprozedere sei aber trotzdem Komplikationen eintreten könnten und ich allenfalls verbluten kann. Nach diesem Gespräch fühle ich mich doch schon gleich "viel besser" als ich die dazugehörenden Dokumente zur Absicherung des Spitals unterzeichne.
Kaum darüber nachgedacht steht auch bereits eine sehr emphatische Krankenschwester im Zimmer und bereitet mich einfühlsam auf die bevorstehende Operation vor. In aufreizender Netzunterhose lege ich mich wieder auf das Krankenhausbett während ich kurz darauf in den Operationssaal geschoben werde. Ich werde vom OP-Techniker, einer weiteren Krankenschwester und einem Anästhesisten sehnsüchtig zum blutigen Spektakel erwartet. Ob ich mich wohlfühle, fragen sie sarkastisch, "wie im Wellnessurlaub" antworte ich. Überraschenderweise bin ich trotz den anstehenden Skalpellspielen ziemlich entspannt, während ich auf meine Reise vorbereitet werde. Wenige Minuten später erhalte ich die Narkosemaske und das Anästhesetikum welches intravenös verabreicht wird und ich schon nach wenigen Sekunden glücklicherweise nicht mehr mitbekomme wie sie mir den Inkubationsschlauch in den Rachen schieben.
Gemäss Recherche wurde eine "laparoskopische Appendektomie" gemacht. Nach einem ersten Schnitt im Nabelbereich wird ein optisches Gerät mit Kamera in die Bauchhöhle eingeführt. Mittels eingespritztem Gas wurde die Bauchdecke im Vorfeld angehoben um die darunterliegenden Organe am Monitor besser zu sehen. Über zwei weitere Schnitte im Unterbauch wurden über Führungshülsen Arbeitsinstrumente in die Bauchhöhle geführt. Die Gefässe des Wurmfortsatzes wurden unterbunden und mittels Schlinge wurde der "kleine fiese Wurm" über die Führungshülse erfolgreich entfernt.
Die Operation verlief gut und ich erlebe bereits, durchaus bewusst die wilde Achterbahnfahrt mit meinem kurvigen Krankenhausbett vom OP-Saal zur Aufwachstation. Ich nicke wieder ein und wache kurz darauf etwas benommen im Aufwachraum auf und erkundige mich als erstes nach Schmerzmitteln, denn die Schmerzen sind schon ziemlich heftig.
Erschöpft und müde werde ich von meinen Schmerzen geprägt in mein Zimmer geschoben und an den Morphiumtropf gehangen. Was für ein schlechter Trip, denn die Vibes des starken Mittels lassen zwar meine Schmerzen schwinden jedoch bilde ich mir ein, dass meine Atmung aussetzt, sollte ich einschlafen. Ein Überlebenskampf im Kopf welchen ich im Rausch nicht steuern kann und die halbe Nacht das Gefühl habe dem Ableben nahe zu stehen. Aber ich kann Entwarnung geben, ich lebe noch.
Der nächste Morgen ist dann weitaus angenehmer und ich kann die erste Mahlzeit zu mir nehmen, nachdem mir eine charmante Pflegerin eine Auswahl an verschiedenen Schmerztabletten als Vorspeise serviert. Mein Gepäck wurde bereits auf mein Zimmer gebracht und ich habe bei der internen Gourmetbeauftragten auch schon meine Highlights aus einer unglaublichen Auswahl an Menüs bekanntgegeben. Von wegen Spital/Altersheimkost, ich fühle mich wie im Hotel "All Inklusive" und habe auch nach kurzer Zeit wieder einen gehörigen, mir bekannten Appetit.
Die nächsten 24 Stunden sind geprägt von Langeweile und einer Uhr deren Zeiger kaum wandern. Zum Glück bekomme ich immer wieder Besuch vom stetig wechselnden Pflege resp. Ärztepersonal, welches mich über den Stand der Dinge informiert und mich mit erfrischendem Humor immer wieder zum "schmerzhaften" aber aufmunternden Lachen bringt. Ich bin begeistert von den netten Menschen um mich herum welche ihrem Job leidenschaftlich nachgehen, was man auch wirklich an deren Authentizität und einem hohen Mass an Empathie und Kompetenz ausnahmslos merkt.
Mit einem guten Gefühl verlasse ich am Mittwochmorgen gegen 11.00 Uhr das Spital und freue mich darauf meine Mädels wieder in die Arme zu schliessen.
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