Ich erreiche Melbourne über den etwas ausserhalb liegenden Avalon Airport. Ich fliege erneut mit einer JetStar Maschine. Der Flug ist sehr anstrengend. Mehrere Babies haben während des Fluges ununterbrochen geschrien. Die armen Kinder hatten anscheinend einen schmerzhaften Ohrenüberdruck, denn der Pilot sank extrem schnell und setzte dann nach einigen Minuten auf dem Rollfeld auf. Im Terminal angekommen, nehme ich nach längerer Wartezeit mein Gepäck entgegen und verlassen den Flughafen. Nach einer anstrengenden Busfahrt komme ich endlich in die Metropole Melbourne. Es fällt mir gleich auf, dass diese Stadt über ein sehr gutes öffentliches Verkehrsnetz verfügt.
Wie in Basel, fahren Strassenbahnen durch die Stadt und in die nahe Agglomeration. Nachdem ich mein Hotelzimmer bezogen habe, geniesse ich die Abendstunden im Zentrum der Stadt. Ich nutze den Öffentlichen Verkehr um in ein belebtes Aussenquartier zu fahren. Oberhalb eines Spirituosenladens befindet sich ein kleines lauschiges JaZZ-Lokal. Ich geniesse die wunderbaren Klänge des Kontrabasses, Pianos und die stimmungsvollen Vocals einer grazilen, jungen Sängerin welche ihre Songs klangvoll interpretiert. Dazu streicht der Schlagzeuger sanft mit seinen Besen über die Trommelfälle und gelegentlich über die glänzend polierten Becken. Der vollmundige spanische Rotwein ist mir bereits etwas in den Kopf gestiegen als ich das Lokal gegen Mitternacht verlasse um noch ein bisschen um die Häuser zu ziehen.
Am nächsten Morgen verlasse ich meine Unterkunft und wechsle in das Melbourne „Youth Hostel“. Unschlagbar die Lage, die Hostel-Crew und die Sauberkeit. Die Unterkunft trumpft zusätzlich noch mit einer grandiosen Dachterrasse auf. Natürlich muss ich meine Ansprüche wieder runter schrauben und beziehe mein einfaches Kajütenbett im 4er Zimmer. Den Geldbeutel freut’s! Ich lerne den Chinesen Chan kennen. Etwas irritiert bin ich schon als er mir erzählt, er ist nur in Australien um mit „irgendwelchen versauten jungen Frauen seinem Fetisch mit Kostümen aus Lack und Leder oder auch als Manga verkleidet auszuleben. Da erscheint mir der deutsche Felix welcher gleich daneben steht fast schon Prüde. Zusammen machen wir die Stadt unsicher und im nahe gelegenen Casino wird das Geld wortwörtlich aus dem Fenster geschossen. Im Anschluss nehmen wir in der Bar des Nachbargebäudes des Hostels noch einen kleinen Absacker und ich erkenne mit Erstaunen meinen verrückten Backpacker Kollegen, den aus England stammen-den Friseur Matthew wieder, mit welchem ich bereits in Perth einige Zeit verbracht hatte. Unglaublich, bereits das zweit Mal das mir so etwas passiert. Dieses mal sogar auf der gegenüberliegenden Seite dieses grossen Kontinents, in der Grosstadt Melbourne. Unfassbar! Darauf trinken wir natürlich.
Mit Felix wird auch der nächste Abend zelebriert. Wir gehen in einen Stripclub und die Damen schleichen um uns herum wie hungrige Hyänen, welche sich an einem verwesenden Kadaver laben wollen. Wir gönnen uns einen kleinen Lapdance, nachdem wir den völlig übertriebenen Wucher-Preis noch etwas heruntergehandelt haben. Zwar um eine Erfahrung reicher, aber absolut verzichtbar! Das ganze war alles andere als sexy, denn unsere osteuropäische Tanzdirne ist völlig verkrampft und ihre Tanzeinlage eher peinlich. Wir verlassen das Etablissement zügig und gehen noch in einen Nachtclub um die Ecke. Die angeheiterte Stimmung legendär. Felix und ich erklimmen die Bühne und geben unsere Moves zum Besten. Wir sind in unserem Rausch vollumfänglich von uns überzeugt. Die Menge tobt, wir machen uns zum Affen und werden tosend angefeuert. Eine weitere Nacht um die Ohren geschlagen laufen wir in der Morgendämmerung, in Schlangenlinien zurück zur Hostel. Der Chinese ist anscheinend immer noch unterwegs und versohlt irgendwo einer für Geld angeheuerten Sexgespielin den Hintern.
Am nächsten Tag mache eine grossartige Street Art Tour durch die Stadt. Melbourne begeistert mich durch seine legendäre Kunstszene. Ich bin inspiriert wie nie und freue mich schon darauf wieder Zuhause meiner kreativen Ader nach zu gehen, nachdem ich jetzt wieder voller Inspiration und neuen Ideen bin. Es gibt viele überdachte Arkaden wo sich Geschäfte darunter eingemietet haben. Absolut Urban diese Stadt, auch die Restaurants, Clubs und Bars haben eine ganz eigene Kultur. Unter anderem finde ich einen Burgershop, mit einer Menükarte von über 20 verschiedenen, kreativ inszenierten Hamburgern. Mir läuft bereits das Wasser im Munde zusammen als ich nur schon das umfangreiche Angebot mit den zahlreichen Topics überfliege. Unglaublich, noch nie habe ich solche Hamburger gegessen „Foodporn, z.B. ein Burger, mit rezentem Käse, saftig knackigem Salat, einem Stück bestem Premium Hackfleisch, knusprigem Brötchen und mit einer simplen Scheibe rote Beete an einer rassigen Sauce angerichtet. Ein Feuerwerk für meine Geschmacksnerven. Ich entdecke zudem ein Bier aus einer legendären Brauerei namens Little Creatures aus Fremantle, das Pale Ale ist ein Traum. Endorphine pur- Liebe geht eben doch durch den Magen.
Der frühe Morgen dämmert in einem wunderschönen Morgenrot. Mein Roommate Felix und ich entscheiden uns spontan, die Great Ocean Road zusammen zu bereisen und buchen gleich eine angebotene Tour. Los geht's, 12 Personen, grosse Erwartungen, ein kleiner Bus, ohne Klimaanlage. Von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt. Grosses Highlight die 12 Apostel, imposante Felsen welche vor der Küste aus dem Ozean ragen. Wir sehen wunderschöne, unberührte Strände, frei lebende Papageien, Koalas, Emus und weitere Tiere. Abschliessend gibt's noch einen Pizzaplausch bevor wir spät abends zurück ins Hostel nach Melbourne kommen.
Meine Reise geht langsam aber sicher dem Ende zu, ich bin überrascht, denn ich habe tatsächlich nie eine Schlange zu Gesicht bekommen, nicht mal in der harmloseren Asphalt Version. Ich bin zwischenzeitlich am Flughafen in Melbourne, immer einen Blick auf mein Gepäck gerichtet, nachdem mir jeder sagt, man müsse aufpassen, dass das Gepäck nicht manipuliert wird. Natürlich möchte ich nicht als Drogenschmuggler für einen Fremden fungieren und in Singapore hinter schwedischen Gardinen versauern.
Kapitel 11 – Todesangst
(Veröffentlichung am 15.06.2019 / 11.00)